Hallo fallende Masche,
was "normal" oder "natürlich" ist, scheint ja der Meinung der Masse zu unterliegen. Vor hundert Jahren zum Beispiel galt es als unnormal oder unnatürlich, herumzusitzen, ohne die Hände zu bewegen und zu stricken, zu häkeln, zu sticken, zu stopfen oder Gartengeräte zu reparieren, zu schnitzen, ....
Gehen wir doch einmal zurück zu den Begriffen:
Entspricht das Stricken der Natur des Menschen?
- von klein auf streicheln und knuddeln Menschen alles, was Fell hat. Die Berührung von Fell und Wolle entspricht also offenbar einem menschlichen Grundbedürfnis.
- außer in sehr warmen Gegenden brauchen die Menschen Kleidung. Diese herzustellen, entspricht also menschlichen Grundbedürfnissen.
- Menschen neigen dazu, Schönes zu suchen und sich und ihre Umgebung zu schmücken. Schönheit in Klang, Wort, Optik und Haptik wird seit jeher von Menschen angestrebt (auch wenn Geschmäcker verschieden sind).
- Menschen sind mit Fantasie und Kreativität geschaffen. Liegt diese brach, werden Menschen oftmals krank.
- Menschen sind soziale Wesen. Sowohl für als auch mit anderen etwas zu tun, ist ein Grundbedürfnis.
- Menschen ist die Fähigkeit zu lernen ebenso angeboren wie die Freude am Gelernten.
Beim Stricken kann all diesen Grundbedürfnissen entsprochen werden. Das wird auch oft sofort erspürt in Form von Entspannung, Ruhe, Freude, so ein ganz gewisses Gefühl tief innen drin.
Also ist Stricken natürlich.
Ist Stricken eine Sucht?
- Eine Sucht ist etwas, was einen gepackt hat und nicht mehr loslässt.
- Ohne das Suchtmittel kann man nicht mehr leben.
Das trifft beim Stricken bei vielen von uns zu.
Deshalb nennen wir uns auch scherzhaft selbst oft süchtig. Allerdings könnten wir auch nicht leben, ohne zu atmen, ohne uns zu bewegen, ohne die Menschen, die wir lieben.
- Eine Sucht ist krankhaft und verursacht seelische und meist auch körperliche Schäden.
- Durch Sucht verschieben sich die Prioritäten, bis wichtige Bereiche gefährlich vernachlässigt werden.
Das könnte zwar passieren (prinzipiell kann man nach allem süchtig werden), ich denke aber nicht, dass Strick-Sucht als Krankheitsbild weit verbreitet ist. Im Gegenteil, der positive Effekt von Handarbeiten (ich schließe mal Häkeln und anderes mit ein) hemmt ja gerade die Suchtgefahr. Es gibt sogar Beispiele, dass Handarbeiten einzelnen Drogensüchtigen geholfen hat, von der Droge wegzukommen.
Ein "Schub" andauernder Stricklust ist wohl eher ein Zeichen jugendlichen Elans (egal wie alt du bist), ausgelöst durch die intensive Befriedigung der Grundbedürfnisse.
So etwas kann auch durch die erste Liebe, ein neugeborenes Kind, die Erfüllung eines Lebenstraumes und anderes ausgelöst werden und eben auch durch das Finden eines Hobbies, das einem liegt.
Das Verhalten weicht nun allerdings von dem ab, was die Umgebung aus Gwohnheit als deine Norm im Kopf hat - es ist nicht "normal" (=der Norm entsprechend). Das wird dann mit "nicht natürlich" verwechselt.
Dabei hast du deine Natur gerade gefunden.
Weiterhin viel Spaß an diesem schönen Hobby!
Viele Grüße,
Gundula