silvester65 hat geschrieben:Lacht bitte jetzt nicht, aber eine Frage: Wenn ich sowas kleiner stricken würde, könnt ich das nicht auch als Tischläufer benutzen?
Würde mir sehr gut gefallen.
Warum lachen? Zwei unserer Berliner-Stricktreffmädels stricken gerade Schals (oder waren es Dreiecktücher?) aus dem Baumwollgarn mit Farbverlauf, was üblicherweise auch für Filethäkelei genommen wird. Und das wird richtig GE...NIAL ! Also warum nicht auch umgekehrt?
Rente mit 67? Unsinn, so läßt sich doch nichts sparen. Wir arbeiten einfach noch viel länger.
Und so sieht's dann aus:
Es ist ein sonniger Herbstmorgen des Jahres 2043. Ein neuer Arbeitstag beginnt, voller Glück und Freude. Ich gehöre mit meinen schlappen 82 Jahren noch zu den Jüngeren unserer Arbeitsgruppe und kann noch auf eigenen Reifen in das Bürogebäude rollen. Außerdem genieße ich den unvergleichlichen Vorteil, noch direkt von einem Pflegedienst betreut zu werden.
Als ich durch die Fensterfront schaue, kommt gerade der umgebaute Möbelwagen an, der meine Kollegen täglich vom Altenhort hierher befördert.
Die beiden Betreuer, beide ehemalige Möbelpacker, sind herzensgute Menschen und öffnen den Rolladen am Heck des Fahrzeugs. Die beiden zuvorderst sitzenden Kollegen, Michael mit 85 und Paul mit 87 Jahren, lassen die Laufplanken herab und schon macht sich ein munterer kleiner Pulk von elektrischen Selbstfahrern auf den Weg die Rampe hinab und zum Haupteingang.
Früher nannte man die Dinger "Rollstuhl", aber sie wurden vor 20 jahren in "Selbstfahrer" umgetauft, um die besondere Note von Sportlichkeit und Freiheit zur Geltung zu bringen. Schließlich sind meine Kollegen alle noch richtig fit! In unserer Firma beschäftigen wir keinen von diesen sogen. "Halbkräften", die teils bettlägerig, teils schon senil sind.
Ich komme schon nach einer halben Stunde im Büro an. Dort erwartet mich schon eine Menge Arbeit. Zuerst allerdings muß ich den Wachknopf drücken. Das muß ich alle halbe Stunde tun, sonst wird automatisch der Notarzt in unser Büro geschickt.
Thorsten ist mal wieder der letzte, als er nach über einer Stunde an seinem Schreibtisch ankommt. Na ja, er ist schließlich auch schon 94 und hat sich letzte Woche dreimal im Gebäude verfahren. Zuletzt, als er zur Toilette wollte. Deshalb hat die Geschäftsleitung verfügt, daß er einen Blasenkatheter erhält. Kostenfrei natürlich.
Um 9:30 Uhr ist Frühstück. Wir bekommen alle einen Teller Griesbrei und ein Glas Wasser; außer Thorsten, sonst ist der Beutel zu schnell gefüllt.
Martin hat mal wieder in der morgendlichen Hetzte seine Zahnprothese vergessen. Den Griesbrei wird er auch so schaffen, aber wie soll er das Möhrengemüse zum Mittagessen schaffen? Wir diskutieren eine halbe Stunde und endlich gelingt es Martin, Franz zum Ausleihen seiner Prothese zu überreden.
Die Mittagspause ist gerettet!
Wir arbeiten fröhlich weiter. Bis wir merken, daß Thorsten verschwunden ist. Sein Platz ist leer, nur seine Gichtpillen liegen vor dem Großbild-Monitor.
Ich verständige telefonisch den Sicherheitsdienst, der sich prompt mit seinen Spürhunden auf den Weg macht. Für diesen Job kann man natürlich nur junge Leute gebrauchen. Diese Männer sind alle noch jünger als 65.
Heute bin ich wirklich gut drauf. Ich schaffe es, 3 Vorgänge bis zur Mittagspause zu erledigen und nicht auf die Akten zu sabbern.
Das Essen wird natürlich von "Meals on Wheels" serviert. Wie üblich müssen wir dafür eine halbe Stunde Werbefernsehen ansehen. Die Spots für Stützstrümpfe, Abführmittel und Selbstfahrerbereifung sind heute wieder besonders unterhaltsam. Ich notiere mir, daß ich beim nächsten Reifenwechsel diese neuen Rallyreifen bestelle; mit denen soll man über 15 km/h fahren können. Wahnsinn!
Das Essen ist heute wieder ganz toll. Schön weichgekocht und nicht zu heiß (Blutdruck!) und sie haben es heute mit naturidentischen Geschmacksstoffen gewürzt! Hervorragend! Und als Nachtisch rote Götterspeise. Herrlich!
Wir teilen uns Thorsten's Portion, der immer noch nicht aufgefunden wurde. Na ja, wahrscheinlich nur eine Reifenpanne.
Zur Entspannung schaue ich ein wenig aus dem Fenster. Draußen auf der Straße stehen mal wieder hunderte von jungen Leuten und protestieren dagegen, daß sie nicht arbeiten können.
Diese Spinner! Sollen froh sein, daß sie täglich einen halben Liter Milch und zwei altbackene Brötchen bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen.
Thorsten ist wieder da. Die Hunde haben ihn auf dem leergeräumten Parkdeck zusammen mit Miroslav und Erich gefunden. Sie haben dort ein Wettrennen mit ihren Selbstfahrern um den Nachtisch abgehalten. Schade, daß wir ihn bereits gefuttert haben.
Endlich ist Feierabend. Ich habe am Nachmittag noch eine Akte und einen Stuhlgang erfolgreich absolviert.
Wir werden nachmittags immer gemeinsam zum Hort gefahren. Dann geht es lustig zu. Wir erzählen uns gegenseitig die bekannten Witze und Anekdoten und erinnern uns an die Zeiten, als wir uns noch vor dem Alter gefürchtet haben.
die Stola ist super geworden. Meine Schwiegermutter habe ich auch eine gestrickt und sie trägt sie ganz oft. Ich denke das wird deine Oma auch machen. Die ist total edel geworden.